was ich hier mache
in den beiden georgischen konfliktregionen south ossetia und abkhazia kam es zwischen 1989 und 1994 zu zwei kriegen, die durch russische unterstützung zu gunsten der abkhazier und osseten ausgingen. seitdem ist das zu sowjetzeiten prosperierende und zahllose touristen anlockende abkhazia ruiniert. vor zwei jahren betrug die arbeitslosenquote 95%. zusätzlich wurden in dieser zeit sämtliche georgier gezwungen, abkhazia zu verlassen, obwohl die georgier 4/5 der akhazischen bevölkerung ausmachten. das land ist also nicht nur ruiniert sondern auch leer. die georgier, etwa 300.000 menschen plus einige 10.000 aus south ossetia, wohnen seitdem in notunterkünften, hotels, pensionen, bei verwandten, befreundeten familien. sie sind idps – internally displaced persons, was sie nur formal von flüchtlingen unterscheidet. ihre probleme sind die gleichen: massenarbeitslosigkeit, kein zugang zu sauberem trinkwasser, unmenschliche wohnverhältnisse, keine positiven zukunftsaussichten, depression. die meisten notunterkünfte bzw. „sammellager“ befinden sich in batumi, zugdidi und tbilisi. andere sind über das ganze land verstreut. manche idps versuchen auch, in die heimat zurückzukehren, dann werden sie in gali angesiedelt, wo die kriminalität enorm ist. nicht zu vergessen die gewaltsamen auseinandersetzungen in der kodorischlucht, wo georgien eine exilregierung installieren möchte. um die situation der idps genauer bestimmen zu können, wird es in den nächsten zwei monaten eine untersuchung dazu geben. dazu reist ein amerikanischer sozialwissenschaftler (ja genau, spss…)an, und ich werde ihn bei der untersuchung begleiten.
im folgenden ein vorgeschmack auf die kommenden wochen, soweit die planunen schon stehen.
am montag gibt es die ersten briefings mit den verantwortlichen internationalen ngos, wie z.b. unhcr (united nations high commissioner for refugees), nrc (norwegian refugee council), osce (osze) und wfp (un world food programme). die abkürzungen werde ich nicht zweimal ausschreiben und in den nächsten blogeinträgen wird es davor wimmeln, also merken oder sich indifferent zeigen.
am dienstag geht es zu den verschiedenen staatlichen stellen. dazu gehören das mra (ministerium für flüchtlinge (und unterkunft)), das gac-committee (georgian-abkhaz-coordination committee) und das abkhaz government in exile. danach werden einige idp-sammelzentren in tbilisi angeschaut, um völlig überzeugt zu sein, dass es den idps schlecht geht.
am mittwoch werden einige lokale ngos besucht. danach soll beschlossen werden, welche nichtregierungsorganisation die untersuchung vornehmen soll. für diese wird dann am donnerstag und freitag ein trainingsdesign entwickelt. ich finde, dass das alles unheimlich wichtig klingt.
die woche darauf wird gereist. und darauf freue ich mich besonders, weil ich bislang noch nicht viel vom land gesehen habe. es geht nach batumi und zugdidi, vielleicht auch nach gali. batumi liegt am schwarzen meer, zugdidi an der grenze zu abkhazia, gali auch, nur auf der anderen seite. die orte sind recht groß, man kann es also auf der karte nachverfolgen – soll heißen, im lonely planet sind sie verzeichnet.
in der dritten woche findet dann das training der betreffenden ngos statt, vermutlich eine regionale und eine internationale. wo, wie und mit wem das geschieht, ist noch völlig unklar, da es sich aus den gesprächen in der nächsten woche ergibt.
in den nachfolgenden wochen werden die befragungen/untersuchungen durchgeführt. dabei wird herr stern das monitoring für unicef übernehmen und einen entsprechenden bericht schreiben, den eher niemand lesen wird. aber ich finde es super, wenn aufgaben so wichtige namen haben. monitoring…
die petze, die aufschreibt, dass die daten nachträglich am computer mit copy&paste vervierfacht wurden, weil es viel zu warm war für eine befragung. wir werden sehen.
in den darauffolgenden zwei wochen werden die daten ausgewertet. dann gibt es ein ergebnis und ich kann befriedigt nach hause fahren. und das alles mit verzapften 2,3. soweit der plan.
ich höre jeden tag recht zufällig zusammengestellte playlists, da mein internetanschluss zu langsam für pandora scheint – christel hat highspeed. die aktuelle mit dem namen dr. seltsam besteht aus ein wenig jack johnson, etwas saddle creek, einem album hansenband, dem garden state soundtrack und viel zu viel mia, was mich zu nerven beginnt. ein lied aber ist gar nicht schlecht und nervt fast gar nicht. „sonne“ mit dem hook: süßer vogel jugend komm wir tanzen komm wir wiegen uns im takt der nacht wir brechen ein tabu wir werden älter.
mit brille werde ich noch eher als fremd entlarvt, ich habe noch k e i n e n georgier mit brille gesehen. es gibt auch keine brillengeschäfte, was ich in meiner allzu menschlichen kausalitätsgier gern im zusammenhang sehen möchte. was aber die abhängige und was die unabhängige variable ist, das vermag ich noch nicht zu beurteilen.
noch ein wenig chauvinismus: nie wieder werde ich eine frau nach dem weg fragen oder sie bitten, den derzeitigen aufenthaltsort auf einer karte zu bestimmen. ich fragte in einer apotheke – die mitarbeiterin sah nicht aus, als hätte man sie irgendwo in georgien verschleppt, ihr einen baumwollsack über den kopf gezogen und in den arzneimittelladen verbracht, wo sie nun bis zum ende ihrer tage dosierungsanleitungen auf kopfschmerztablettenverpackungen schreiben muss – nach dem weg zu einem bestimmten platz, an dem es ein kaufhaus geben sollte – ich brauche einen schlafsack, weil mir die kälte in der neuseeländischen nationalparkhütte noch in guter erinnerung ist – auf straßenschildern kann ich schon einige buchstaben, vor allem vokale, entziffern, zum richtigen lesen reicht es leider noch nicht, wie auch bei der apothekerin – jetzt bin ich entgültig mit der interpunktion durcheinander gekommen, daher ein neuer satz: sie konnte mir nicht sagen, wie ich dahin gelangen kann. da vertraute ich ihr meinen lonely planet an und bat sie, auf der karte unseren derzeitigen aufenthaltsort einzuzeichnen („das ist ganz woanders…“). das tat sie und legte auch eine weitere laufrichtung fest. ich tat wie geheißen und erreichte nach einiger zeit ein schwer bewachtes gebäude, mit schutzwällen und weiträumiger absperrung. ganz wie in berlin. die amerikanische botschaft war auch in der karte eingezeichnet. da erkannte ich, dass die apotheke genau, g e n a u an dem gesuchten platz stand. nie wieder.
mein spiegel hat es zum ersten mal nach georgien geschafft. trotz adresse ohne postleitzahl. der titel: generation praktikum. die wichtigen themen meines liebsten hamburger nachrichtenmagazins waren auch schon einmal näher dran am wahren leben.
ich hoffe, dass ich heute nachmittag in die richtige marshrutka steige.
K. - 11. Aug, 08:27
Ziviler Ungehorsam
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/meinung/576597.html
A propos: Hast du schon Briefwahl beantragt? Oder erscheint dir dein demokratisches Pflichtrecht in Berlin als bedeutungslos und vernachlässigbar im Gegensatz zu deinem großen, vorbildlichen, sozialen Engagement in der georgischen Ecke der Welt, in der es leider wesentlich größere Probleme als ein altersbegrenztes Wahlrecht zu lösen gilt?
briefwahl
was macht deine arbeit beim goldliteraturmagazin? die homepage finde ich im übrigen gelungen. die Blogbeiträge sind vielleicht etwas zu gewöhnlich, aber die artikel innerhalb der zeitschrift sehr interessant, z.b. der über den buchdrucker. wie dem auch sei: Lass mal was hören.
briefwahl habe ich noch nicht beantragt. mal sehen, ob das online überhaupt geht. will nicht extra dazu zur botschaft laufen oder nen brief schreiben müssen. du siehst: ich habe mich noch nicht damit auseinandergesetzt. zusätzlich denke ich, dass nach aktuellem stand meine lieblingskonstellation zustande kommt, auch ohne meine stimme. aber so darf man ja nicht argumentieren, speziell als angehender politikwissenschaftler.
selbstverständlich vielen dank für den hinweis. 50 prozent aller artikel von torsten harmsen haben irgendetwas mit krätzä zu tun, das ist doch sehr erstaunlich. sie sind auch meistens gar nicht so schlecht. wobei ich weiterhin finde, dass seine gesinnung schöner ist als sein talent. das soll keineswegs apodiktisch gemeint sein.
was machst du zur wahl? schließlich wird dein landesparlament auch am 17. september gewählt. wie ich hörte, darf sich der gemeine berliner vom wahl-o-mat helfen lassen, was den mecklenburgern nicht möglich sein wird, da spd und cdu das verhindert haben.
nachtrag: ich habe soeben online meine wahlunterlagen beantragt. es wird alles getan, um mir meine demokratischen grundrechtsgleichen rechte zu gewähren. übrigens entscheide ich auch über die bvv und darf meine stimme bei einer volksabstimmung über die neuregelung von volksentscheiden und volksbegehren abgeben. alles ein wisch.